Umm el-Marra. Eine Brücke zwischen Protokeilschrift und phönizischen Buchstaben?
Das bisher älteste Zeugnis des Alphabets?
Im November/Dezember 2024 konnte man weltweit die Meldung über einen archäologischen Sensationsfund in Nordsyrien lesen (s. Bericht mit Abbildungen: https://www.timesofisrael.com/a-claim-that-the-earliest-alphabet-was-found-in-syria-sparks-a-media-maelstrom-finally/ und https://www.torrossa.com/de/resources/an/4774696, beide Seiten am 31.3.25 abgerufen). Bei Ausgrabungen in Umm el-Marra wurden 2004 in einem Grab 4 kleine Tonzylinder entdeckt, die nachweislich in die Zeit um 2400 v. u. Z. datiert werden konnten.
Das Besondere an ihnen sind eingeritzte Schriftzeichen, die sowohl an phönizische Buchstaben als auch an archaische Zeichen aus Uruk (Protokeilschrift) erinnern. Damit wären sie zum einen 500 Jahre älter als die protosinaitische Schrift (vermeintlicher Vorläufer der phönizischen Konsonantenschrift) und zum anderen 700 Jahre jünger als die urukzeitlichen Piktogramme aus Südmesopotamien.
Umm el-Marra, einst eine blühende Stadt im Norden Syriens unweit Aleppos und im politischen Einzugsbereich Eblas, lag an einer Kreuzung zweier bedeutender Handelsrouten. Seine Blüte erlebte der Ort in der frühen Bronzezeit von ca. 2700 bis 2200 v. u. Z. (Lit: Hrsg. Glenn M. Schwartz, Animals, Ancestors, and Ritual in Early Bronze Age Syria: An Elite Mortuary Complex from Umm El-Marra (Monumenta Archaeologica, 50, 2024)
Protokeilschrift - Umm el-Marra / PHÖNIZISCH - Hieroglyphen - Protosinaitisch
Protokeilschrift, Phönizisch und Protosinaitisch lassen sich problemlos miteinander verbinden, sofern man das Pferd nicht vom Protosinaitischen aufzäumt und die Protokeilschrift in der Forschung zur Entstehung der Konsonantenschrift überhaupt erst einmal in Betracht zieht.
Wenn man von der Protokeilschrift ausgeht, lässt sich gut eine Kontinuität in der Form der Zeichen erkennen. Die zeitliche Abfolge der Zeichen wäre demnach:
1. Protokeilschrift (bereits mit Vorläufern in der Donauschrift aus dem 5. bis 4. Jahrtausend v. u. Z.)
2. Umm el-Marra (wahrscheinlich Altakkadisch / Eblaitisch) / Phönizisch
3. Protosinaitisch
Selbst wenn in der Forschung auf Grund der Funde Phönizisch am Ende der Entwicklung stehen müsste, so ist stark anzunehmen, dass es noch wesentlich ältere Dokumente in dieser Schrift gab (z. B. in Ton wie in Umm el-Marra, auf Tonscherben/Ostraka, auf Textilien, Leder, Rinde, Holz, Knochen, Palmblättern).
Auch das Ägyptische mit der hieratischen Schrift (seit 2700 v. u. Z. in Gebrauch), wird mit seinen Einkonsonantenzeichen wahrscheinlich Einfluss auf das erste Alphabet genommen haben.
Nach Ebla als Handelsdrehscheibe im Vorderen Orient werden mit Waren auch Impulse für die Schriftentwicklung sowohl aus Ägypten als auch aus Mesopotamien nach Nordsyrien gelangt sein.
Da sich die Uruk-Kultur im 4. Jahrtausend v. u. Z. bis in den Südosten Anatoliens hinein erstreckte, ist ein unmittelbarer Zusammenhang zur Herkunft der Zeichen direkt aus Uruk nicht unbedingt zwingend, wenn man urukzeitliche Orte wie Tell Brak im Nordosten Syriens in die Überlegungen zur Schriftentwicklung mit einschließt.
Auch Ebla war bereits im 4. Jahrtausend v. u. Z. besiedelt und es ist nicht auszuschließen, dass selbst hier die Protokeilschrift bekannt war und sich die Erinnerung an sie über Jahrhunderte hielt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass zumindest eine kleine Gruppe sehr gebildeter Schreiber die Uruk-Zeichen noch verstanden, denn wenn sie als Vorlage für das sog. phönizische Alphabet dienten, müssen sie um 2400 v. u. Z. noch bekannt gewesen sein.
Die Geburtsstunde der Kryptographie
Die Stellung Eblas als Drehscheibe für den Handel zwischen Ägypten, der Levante, Mesopotamien, Anatolien bis hin nach Afghanistan spricht für die Erfindung des Alphabets genau an diesem Ort.
Handel benötigt eine effiziente Kommunikation, gerade auf dem schriftlichen Weg, bei dem große Distanzen, auch unter strengster Geheimhaltung von Informationen, überbrückt werden müssen. Dieses Bedürfnis dürfte wegen großer Rivalitäten zwischen verschiedenen Herrschaftszentren wie Ebla und Mari in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. u. Z. bestanden haben. Was lag da näher als eine Geheimschrift zu erfinden, die ein jedes Mitglied der Gilde schnell erlernen konnte? Um 2400 v. u. Z. haben wir wahrscheinlich deshalb die Geburtsstunde der Kryptographie zu suchen, wenngleich in Ägypten im Alten Reich bestimmte religiöse Texte ebenfalls verschlüsselt wurden.
Azi, ein eblaitischer Schreiber am Hofe des Igrisch Halam und des Irkab Damu, wäre nach Persönlichkeit und Qualifikation ein geeigneter Kandidat für die Erfindung des Alphabets.
Um die Mitte des 3. Jahrtausends v. u. Z. entstanden auch die Indusschrift sowie die elamische Strichschrift. Sowohl das Reich von Elam im Iran als auch die Kultur des Industals unterhielten einen regen Handel mit Mesopotamien. Jahrhunderte danach kam es dann zur Entwicklung zahlreicher weiterer Schriften wie der auf Kreta, der in China oder der luwischen Hieroglyphen.
Es ging bzw. geht bei der Schrift nicht immer um Geheimhaltung, zumindest aber um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die ethnische oder/und soziale, ökonomische, machtpolitische oder/und religiöse Komponenten einschloss bzw. einschließt (s. später u. a. Sanskrit, Hebräisch, Georgisch, Armenisch, Arabisch, Glagolitisch). Machtausübung/-beeinflussung und Wahrung von Unabhängigkeit sind mit einer beherrschenden Sprache und deren Schrift sowie der Fähigkeit, diese zu schreiben und zu lesen untrennbar verbunden (s. die Vernichtung von Dokumenten und religiösen Konzepten der Hochkulturen in Mittel- und Südamerika durch katholische Priester und die Einführung des Christentums und der spanischen und portugiesischen Sprache als Amtssprache).
Der Code des phönizischen Alphabets und die Tonzylinder aus Umm el-Marra
Der Stolperstein bei der bisherigen Zeicheninterpretation des phönizischen Alphabets ist der, dass die Piktogramme in den meisten Fällen bei genauer Betrachtung der Zeichen zum einen nicht mit der Erklärung ihrer Bedeutung zusammenpassen und zum anderen wahllos, ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang, kombiniert sind. Auf diese Weise wird man einst keine Buchstaben gelernt haben.
Wir merken uns viele wichtige Dinge am besten in Form von Geschichten, Liedern und Reimen wie:
„Iller, Lech, Isar, Inn fließen rechts zur Donau hin. Altmühl, Naab und Regen kommen links entgegen.“
„Laurentia, liebe Laurentia mein, wann wollen wir wieder beisammen sein? Am Moontag. Ach wenn es doch alle Tage Montag wär‘...“
„7-5-3 Rom schlüpft aus dem Ei.“
Beim Sich-Erinnern spielen aber auch Emotionen eine große Rolle, d. h., je intensiver ein Ereignis mit einem Gefühl verbunden ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es im Gedächtnis behalten. Freude, die man bei vielen Gelegenheiten empfinden kann, gehört ebenso dazu wie der Schreck über einen Schaden, den man genommen hat und aus dem man hoffentlich klüger geworden ist.
Sex geht, sofern unerzwungen und nicht durch Missbrauch, Vergewaltigung oder mit sonstigen angstbesetzten Emotionen belastet, mit Freude einher.
Stellen wir uns Seefahrer und Händler zu Land vor 4500 Jahren vor, die unter erheblichen Strapazen, oft genug unter Lebensgefahr, Waren transportierten. Sie werden froh gewesen sein, jede Station ihrer Reise wohlbehalten erreicht zu haben, was Anlass zum Feiern gegeben haben sollte.
Viele von ihnen mögen an ihren Rastpunkten eine Liebste gehabt haben, die sie (u. U. am Tempel der „Aphrodite“) erwartete und die sie (so zu hoffen) reich beschenkten. Um die Verbindung zu erhalten, dürfte es aber ebenso wichtig gewesen sein, dass der Freier seine Auserwählte auch sexuell glücklich machte, was wiederum, sofern ihm das gelang, auch seinem Wohlbefinden zugutekam.
Hier setzen die 10 Gebote für erfüllenden Sex, verborgen im phönizischen Alphabet, an. Sie sind nicht nur belehrend, sondern knüpfen an eine freudige Erfahrung an, sofern Mann sie befolgt. Das macht das Alphabet neben den Tonzylindern aus Umm el-Marra in der bisherigen Betrachtung der Schriftgeschichte nicht nur zu einem Game Changer (so Christoper Rollston zu den Tonzylindern http://www.rollstonepigraphy.com/?p=921, abgerufen 31.3.25), sondern auch zu einem poetischen Werk von bleibender Aktualität und dem bisher ältesten Beleg der Loci-Methode.
Die Kuh (alpu) im 1. Gebot ist wegen ihrer heiligen Bedeutung als Ausdruck der Wertschätzung einer Frau zu verstehen. Aus diesem Grund steht das A auch am Anfang des Alphabets, gefolgt von B (bitu), Haus/Tempel.
Die folgenden Grafiken bieten z. T. einen Auszug aus: Ellen Lortzing, Uwe Lortzing, "Frivole Buchstaben. Die Botschaft unseres Alphabets", Berlin 2013