Intimates of Moon
Die Botschaft unseres Alphabets

Gier - der Wahnsinn der Balz

He! Waren Sie schon einmal in Dilmun? Nein? Dann schauen Sie mal in den neuen Reiseprospekt von „KASKAL Air“!

Türkisblaues Wasser, in dem Sie von Ihrem Boot aus Millionen von Fischen und perlenschwangerer Muscheln in Ihren Netzen einfangen.

Ein Strand, übersät mit Gold- und Silberstaub, der sich bei Ihrem Spaziergang um ihre Füße legt.

Karneole, Rubine und Smaragde, die Sie massenweise als Souvenir aufsammeln.

Der Himmel aus Lapislazuli, aus dem beständig Meteorgestein in die Container auf Ihrem Frachtschiff rieselt und sollte es einmal undicht sein, kein Problem: hier finden Sie auch Bitumen, um Ihr Boot wieder seetauglich zu machen.

Doch damit nicht genug! Dilmun schmeichelt nicht nur Ihren Augen, sondern auch Ihrer Nase.
Betörende Düfte auf Schritt und Tritt, die Sie mit einem Kecher einfangen und in goldverzierte Flacons aus Bergkristall füllen.

Sie werden nicht umhinkommen, sich daheim eine neue Villa errichten zu lassen, da sich jeder Dilmun-Besucher bei „Esi“ (sum. NA.ESI, Diorit) zu gigantischen Bauprojekten verführen lässt. Elite-Verkäufer werden Sie exklusiv beraten! Hier gibt es alles, was ein Kunsthandwerker begehrt, angefangen vom Kupfernagel über Teakholz bis zu Diorit.

Türbeschläge, Sicherungszäune und Bronzeskulpturen können Sie sich nach Ihren Wünschen in den zahlreichen Schmieden hinter der Strandpromenade fertigen lassen. Bei entsprechendem Auftragsvolumen gibt es einen GIR2, sum. Dolch, gratis.

Sie brauchen noch etwas Extravagantes für Ihren nächsten Galaauftritt? Zwischen den zahlreichen Stoffen und Farben werden Sie es schwer haben sich zu entscheiden! Die Auswahl eines Schneiders ist dagegen einfach. Jeder von ihnen wird im Handumdrehen eine schöne Toga für Sie nähen.

Nach den Strapazen des Einkaufs kehren Sie (mit ausreichend Kupfer- und Silberbarren bestückt) in Dilmuns angesagteste Location, d. h. in die Tempelschenke bei „Panipa & Inzak“ (sans. „Lotus & Bulle“, sans. pANi, heiraten, Markt), ein. Sie werden sich prächtig am „Ort des Glücks“ amüsieren, denn wir haben den Monat der Göttin Meskilak, den des „Freudenschreis“ (sans. mAs, Monat, kilakil, Freudenschrei, vgl. dt. killekille). Dieser Monat ist gewissermaßen Weihnachten auf Dilmun, denn alljährlich kehren mit dem Monsun die Schiffe aus dem Morgenland (Indien), sum. Meluhha, voll beladen mit erlesenen Waren zurück. Die Seeleute sind glücklich, nach der strapaziösen Überfahrt endlich an Land gehen und ihre begehrten Erzeugnisse verkaufen zu können. Das wird ausgiebig gefeiert. „Meskilak“ ist ein Monat, in dem sich eine Orgie an die nächste reiht. Genießen Sie also diesen Garten Eden (sans. adana, Akt des Essens, Nahrung)!

Und? Wie ist Ihr Eindruck von Dilmun? Sie schweben noch immer im Rausch? Möchten gar nicht aus ihm aufwachen? Träumen als Mann noch immer von Schätzen, die sie unter liebessehnsüchtigen  Frauen großzügig verteilen?

Wenn Sie jedoch danach trachten, Ihren Reichtum gänzlich für sich behalten zu wollen und von ihm nicht genug bekommen können: Willkommen in der Welt der Gier!  Und dabei waren Sie noch nicht einmal in Meluhha! Doch bevor wir dorthin reisen, hier noch etwas, was Sie zu Dilmun wissen sollten.

Wir kennen dieses Shopping-Eldorado des 3. Jahrtausends v. u. Z. aus sumerischen und akkadischen Quellen. Dilmun (sum. Schreibung KUR.DILMUN.NA, akk. Telmun) erstreckte sich ungefähr von Bahrain bis zur Straße von Hormus und war ein bedeutender Warenumschlagplatz im Handel zwischen Indien und Mesopotamien. Geschrieben wird Dilmun mit den Zeichen NI und TUKU. NI in der Lesung MU5 bedeutet „gut“, „schön“. In Kombination mit TUKU, erwerben, anschaffen, heiraten, lässt sich unschwer die Bedeutung des Namens verstehen. In Dilmun konnte man sehr gut einkaufen, auch Brautgeschenke (vgl. hierzu auch alttam. moy, Schönheit, Mutter, tokai, Betrag, Eigentum, Sammlung, Sortiment, und tukku-ttal, sammeln).

Der Name Dilmun mit dem vorangestellten Zeichen KUR, Berg(land), ist jedoch ganz anders zu übersetzen. Er führt uns auf die felsige Halbinsel Musandam, die heute zum Oman gehört. Sie gilt es über die Straße von Hormus zu umschiffen, will man seinen Weg weiter in Richtung Irak, das alte Mesopotamien, fortsetzen. KUR.DILMUN war demnach eine „wichtige felsige Region“ (KUR, Berg, DILMUN, wichtig sein), die Musandam entsprechen dürfte.

Doch hinter dieser „wichtigen, felsigen Region“ verbirgt sich offensichtlich noch ein nicht ganz ungefährliches Tierchen, der Skorpion (auch ein Sternbild des Südhimmels), alttam.  tEL, Skorpion. In Verbindung mit mun2, einem Lokativzeichen, bzw. mit mun2ai, Kap, Landzunge, wäre Dilmun das „Skorpionen-Kap“ gewesen, eine wichtige Landmarke für jeden Seefahrer. Tatsächlich sind auch heute noch auf Musandam sehr viele Skorpione zu finden. Doch der Namengebung dürfte eher eine topografische Beschreibung mit dem Kap als Skorpionstachel zugrunde liegen.

Noch vor der Fahrt hin zu diesem eindrucksvollen Kap legten die Seeleute nach einer anstrengenden Überfahrt von Indien kommend zunächst in Magan an. Damit befinden wir uns an der Küste des Oman. Hier könnten die tapferen Männer bereits Kupferbarren, ein heiß begehrtes Gut in Dilmun und Magans Exportschlager, verladen haben.

Magan wurde sumerisch MA2-GAN.KI geschrieben. KI zeigt an, dass es sich bei dem Namen um einen Ort bzw. eine Region handelt. MAGAN selbst setzt sich zusammen aus MA2, Schiff, und GAN, gebären. Magan erzählt uns also eine Kurzgeschichte von zahlreichen, schwer beladenen Booten, die am Küstenstreifen des heutigen Oman vor Anker gingen. Dabei dürfte sich die Besatzung nach jeder Expedition wie „neu geboren“ gefühlt haben. Nach einer Geburt muss man sich erst einmal ausruhen. Daher darf man bei Magan durchaus auch an alttam. makAm, Rastplatz, Lager, und an die Stadt Mekka (ebenfalls Rastplatz auf der Handelsroute von und nach Indien) denken.

Kommen wir nun zum Höhepunkt unserer Reise, Meluhha, einem märchenhaften, heute kaum bekannten Reich im Industal, das im 3. Jahrtausend v. u. Z. enge Beziehungen zu Mesopotamien pflegte und dort Handelsniederlassungen unterhielt.

Viel ist über diese hochentwickelte städtische Kultur im bronzezeitlichen Pakistan, Indien und Afghanistan nicht bekannt. Ausgrabungen in Pakistan wie die in Mohenjo-Daro oder Harappa, Städten, in denen einst ca. 40.000 Menschen lebten, lassen in jedem Fall auf eine hoch spezialisierte Gesellschaft schließen. Sie verfügte wie die in Ägypten und Mesopotamien über eine eigene, bisher allerdings noch nicht entzifferte Schrift. Daher sind Aussagen über eine etwaige (Selbst)Verwaltung der einzelnen Siedlungen ebenso unmöglich wie solche über eine zentrale Herrschaft über die Region oder eines kollektiven Gremiums, das die Geschicke des Gemeinwesens demokratisch gelenkt haben könnte. Monumentalbauten wie Tempel oder Paläste fehlen jedenfalls, was auf eine matriarchalische Gesellschaft hindeutet. Um 1800 v. u. Z. erlischt die Indus-Kultur nach mehr als 1000 Jahren wahrscheinlich infolge einer Klimaveränderung.

Der Name Meluhha, der uns für die Indus-Kultur lediglich aus sumerischen Quellen überliefert ist, geht wohl auf eine dravidische Sprache zurück. Das Alttamilische erlaubt einen plausiblen Vergleich mit melukku = Pomp, Prahlerei bzw. mal = Pracht, Reichtum und uka-ttal = glücklich sein, sich sehnen, ein heftiges Verlangen verspüren.

Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Angehörigen der Indus-Kultur selbst so bezeichneten. Vielmehr klingt Meluhha aus heutiger Sicht wie der Inbegriff der unstillbaren Sehnsucht nach Reichtum, eine Verhaltensweise, für die wir das Wort „Gier“ benutzen.

Was ist Gier? Per se interessanterweise nichts Schlechtes, wenn wir uns ihre Etymologie anschauen.
Im Sumerischen war sie mit GI.GIR wohl noch das „Geschenk“ (bzw./und ein Teil der Mitgift), mit dem man einem Menschen gegenüber seine Wertschätzung zum Ausdruck brachte. Im Sanskrit ist diese Bedeutung noch in gir, Lob, Lied, enthalten. Im Gegenzug hatte man von seinem Gegenüber entweder schon etwas von Wert (nicht nur materiell) erhalten, oder man erhoffte sich eine bestimmte Gegenleistung, für die man (MANN) mit seinem (Braut)Geschenk in Vorleistung gegangen war. In jedem Fall zeigte man sich als Beschenkter dankbar, lat. gratus.

Wir dürfen davon ausgehen, dass Geschenke zunächst vorbehaltlos und späterhin nach einigem Verhandeln schließlich angenommen wurden, womit der Handel geboren war (vgl. äg. gr, schweigen, ruhig sein, aufhören, alttam. kiRRal, zustimmen).

Geschenke stärkten und festigten soziale Bindungen. Das tun sie bis heute. Durch sie ergeben sich im weiteren Sinne Koalitionen und Kooperationen. Damit bergen sie aber auch die Gefahr von Korruption (lat. corrumpere, verderben, verführen, vernichten, und rumpere, reißen, zerbrechen), durch die etablierte Netzwerke wieder zerstört werden können. Geschenke müssen also immer wieder ausgetauscht werden, um vor allem im ökonomischen und politischen Rahmen Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Dabei wird wie auf einer Auktion beständig mehr geboten, um Rivalen auszustechen. Was steckt hinter diesem Gerangel, das mit der Aussicht auf immer mehr Reichtum für eine Minderheit jedoch keinen Sinn für die Sicherung des Lebens insgesamt ergibt?

Gier und Streit sind seit der Zeit ausgedehnten Handels (ca. 3500 v. u. Z.) und der Anhäufung von privatem Eigentum wie Pech und Schwefel miteinander verbunden (s. akk. geru, streiten und gerrum, Geschäftsreise; äg. grb, sans. gRhasAra sowie sum. nigurum, Eigentum, und alttam. paNappittu, Gier, paNa, Eigentum, Business und pittu, Wahnsinn).

Getauscht oder ver- bzw. gekauft wurden nicht nur Lebens- und Genussmittel oder Rohstoffe zur Herstellung von Werkzeugen, Waffen oder Kleidung, sondern beizeiten bereits Dinge, mit denen man sich vor allem schmücken konnte. Je seltener ein solches Objekt, desto wertvoller war es für seinen Besitzer, der sich jedoch nach dem erfreulichen Erwerb der Rarität mit zahlreichen Neidern herumzuplagen hatte. Hatte? Wer kennt nicht das Gefühl, wenigstens einmal zu kurz gekommen zu sein? Mit dieser zutiefst menschlichen Schwäche gliedern wir uns nahtlos ins Reich der Tiere ein. Es dreht sich letztendlich alles um Fortpflanzung. Das ist der Sinn des Lebens zumindest von einer höheren Warte aus betrachtet. Wer ist also der Auserwählte der Schönsten im ganzen Land? Der Hasenfuß? Der Begriffsstutzige? Der Übermütige? Der Nachdenker? Der Adonis? Der Herkules? Der mit einem unwiderstehlichen Präsent?

Frauen sind nicht bestechlich, wenn es um Sex geht? Sie ziehen nicht lieber in eine Villa als in eine Lehmhütte? Sie träumen nicht davon, Prinzessin oder gar Königin zu sein? Wofür dann all das Streben nach Pomp und Protz, das unseren Planeten vergiftet und ihn ausblutet? Nicht wegen Lady Maluka, die danach ein unbändiges Verlangen verspürt und ihrer Freier, die mit Reichtum und Macht vor ihr und der Welt glänzen und sie beherrschen wollen?

GIER. Was unsere Vorfahren vor ihrem geistigen Auge mit Gier und Streit assoziierten, widerspiegelt sich auch noch überzeugend in unserem Wort „Geier“ (vgl.sans. gRdhra, Geier), der bekanntermaßen keine Tischmanieren kennt. Was hält uns davon ab, schleunigst zu ihnen zurückzukehren und uns einem Gourmet gemäß an kleinen, leckeren Portionen zu erfreuen? Warum nicht einmal einen Fremden in die GourmandiseMaluka“ (sans. Bauch) einladen und sich „great“ (großartig) fühlen, wenn er genüsslich isst und trinkt (s. sans. gRR, schlucken, äg. jrj, essen)? Sein glückliches Gesicht - ein Geschenk für uns. Und weil wir von den strahlenden Augen und dem Lächeln nicht genug bekommen können, schenken wir ihm immer und immer wieder von „Maluka“ (sans. MAlUka) ein, denn der Sud aus Indischem Basilikum, als Tulsi-Tee im Trend, tut sowohl der Seele als auch dem Magen gut. Darüber hinaus sagt man ihm eine aphrodisierende Wirkung nach. Gracias,Tulsi Devi!

P. S.
Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. (Mahatma Gandhi)