Galant durch die Zeiten
Was für ein Event! Der lang ersehnte Regen fällt vom Himmel und befeuchtet die eingebrachte Saat. Zeit für einen Galaabend, zu dem Frau und Mann gleichermaßen festlich gekleidet erscheinen. Unsere Vorfahren feierten nicht nur die Ernte, sondern auch das darauffolgende Einbringen der Körner in die Erde, die zum Keimen und Wachsen ausreichend Wasser benötigen.
Um sich den überirdischen Segen zu sichern, beteten sie einst zur Großen Himmelskuh, in deren Bauch sie sich als Kinder wähnten. Wenn DIE Mutter ihr Kälbchen an ihrem Euter, den Wolken, säugte, tropfte auch immer mal etwas von dem kostbaren Nass auf die Erde und ließ Pflanzen und Tiere gedeihen.
Im Christentum sind die Menschen als Schäfchen (Wolken/Altocumulus) mit einem unpersönlichen Vater, ihrem Hirten, genannt „Gott“, verbunden, der seine Anhänger seitdem auf den rechten Weg leitet und dabei, zumindest in der katholischen Kirche, ausschließlich vom Papst und Priestern unterstützt wird. Seither preisen seine Diener die HERRLICHKEIT.
Doch der „himmlische Hirte“ ist keine alleinige Erfindung des Christentums. Er erscheint sowohl im Hinduismus (Krishna neben Kuhhirtinnen im Goloka/´“Kuh-Welt“ im Himmel) als auch schon mehr als 2000 Jahre vor der Geburt Jesu in Mesopotamien im sumerisch-akkadischen Mondgott Nanna/Sin, ursprünglich weiblichen Geschlechts. Immerhin unterstützte Sin noch kreißende Frauen bei der Niederkunft, wie der Mythos vom „Mondgott und der Kuh“ zeigt. Wie sein Sohn, der Sonnengott Schamasch, schwängerte er als Stier (vgl. Zeus und Europa) nicht nur eine Kuh, sondern kümmerte sich auch während der folgenden 9 Monate um seine Angebetete.
Während in vorpatriarchalischer Zeit die Vaterschaft keine Rolle spielte und die Himmlische Kuh das Große Licht, d. h. die Sonne, jeden Morgen ohne vorher erkennbare Begattung gebar (vgl. sog. „Jungfrauengeburt“), erhöhte sich DER Mann gesellschaftlich vor mehr als 5000 Jahren infolge der Sesshaftwerdung, der Verteidigung von Eigentum, der Eroberung fremder Ländereien und Rachefeldzügen gegen einstige Angreifer. Die Analogie von Himmelskuh zur „Menschin“ blieb jedoch noch lange erhalten und galt als Kompliment für jede Frau. Vor diesem Hintergrund ist dann auch das 1. Gebot des Alphabets: "Behandle die Kuh des Tempels liebevoll!" zu verstehen.
Die Sin als Gattin an die Seite gestellte Ningal, die Große Herrin (sum. NIN, Herrin, GAL, groß) dürfte auch den als himmlische Milch (insbesondere das Kolostrum) zur Erde gefallenen Regen verkörpert haben, was uns zu Gugalanna, zum Großen Kalb des Himmels, (sum. GU4, Stier, Kalb, GAL, groß, AN, Himmel) und damit zum Sternbild „Stier“ führt. Dass GU4 sowohl „Stier“ als auch „Kalb“ heißt, darf nicht irritieren. GU4 ist ein Urwort und damit auch in Sanskrit als „gu“ nachweisbar. Dort hat es neben „Kuh“ auch die Bedeutung von „Erde“, „Wasser“ und „preisen“.
Um 3000 v. u. Z. begann die „Umgestaltung“ des Himmels, d. h., er wurde weitestgehend maskulin, sowohl der Himmel selbst mit dem sumerischen Himmelsgott AN, als auch seine Sternbilder, Sterne und Planeten (mit Ausnahme der Venus).
Das Sternbild „Stier“ besteht seither bemerkenswerterweise nur aus einem Rinderkopf, was kein eindeutiger Hinweis auf das Geschlecht des Tieres zulässt. Das ursprüngliche Sternbild jedoch war wesentlich größer und lässt sich sehr gut als kalbende Kuh rekonstruieren.
Durch sans. gu, die Kuh, ergänzt um galana, tropfend (gal, tropfen) sowie anna, Wasser, Nahrung, erschließt sich uns sum. Gugalanna als die Milch gebende (kalbende, himmlische) Kuh vergleichbar mit der griechischen Göttin Hera, die Herakles (Herkules) stillte und den späteren Kraftprotz von sich stieß, weil er an ihrer Brust zu schmerzhaft sog. Dabei verspritzte die Göttin unzählige Milchtropfen, wodurch unsere Galaxie entstand. Diese Umschreibung bezieht sich wohl auf das Abstillen eines Kleinkindes im Verlaufe des 3. Lebensjahres.
Gugalanna ist in der sumerischen Überlieferung bereits Ehemann der Ereschkigal, der Herrin der Großen Erde, und lebt mit ihr in der Unterwelt, also ursprünglich am Nachthimmel. Beide sind damit ein gut vorstellbares Paar, wobei die Erde im Rahmen einer Ackerbaukultur in der Rolle der Frau den Samen (Regen) des Mannes empfängt. Als Gatte ist Gugalanna somit nicht mehr die Milch spendende Kuh mit ihrem Kalb, sondern der Himmlische, d. h. potente, ejakulierende Bulle, dem nur noch ein Rindskopf geblieben ist.
Auf Erden regierte er in Sumer für Jahrhunderte als LUGAL, als Großer Mann, d. h. König (sum. LU2, Mann, Mensch, GAL, groß). Da es einst nicht DAS Wort für den Mann gab, lohnt an dieser Stelle ein Blick hinter die Kulissen.
Das archaische Zeichen LU2, zweifellos eine im Profil dargestellte Silhouette eines Menschen, zeichnet sich durch nichts aus, was auf einen Mann schließen ließe, aber es erinnert an ein auf einem Wiegenbrett festgebundenes Baby.
In das archaische Zeichen GAL über seinem Kopf bei LUGAL interpretiert der moderne Mensch eine Krone, eine Deutung, die bei genauer Betrachtung auch nicht passen will. GAL erinnert aber an die äg. Hieroglyphe für den Regen und damit wieder an das sum. Keilschriftzeichen GA, Milch, mit der eine Mutter ihr Kind bis zum 3. Lebensjahr ernährt.
Es scheint, als stecke in LUGAL idg. *al-, (heran)wachsen, nähren und *glak-, glag-, Milch (vgl. lat. alo, ich ernähre/füttere; sans. alu, ein kleines Wassergefäß und gr. gala, Milch). Damit könnte der Ursprung des Ausdrucks LUGAL, Großer Mann, König, auf einen Satz zurückzuführen sein, der lautete: „Ich füttere (dich, mein Kind) mit (meiner) Milch.“
Die Muttermilch war und ist überlebenswichtig und sorgt dafür, dass das Kind groß wird, was sie so großartig macht. Somit könnte man die archaischen Zeichen LU2 als Kleinkind und GAL als Brust/Wolke, aus der Milch/Wasser tropft, interpretieren.
Das Sein prägt maßgeblich unser Bewusstsein. Sprache ist Ausdruck des Bewusstseins sowie Mittel der Manipulation. Sie verändert sich, mal langsamer, mal schneller. Das Wort „galant“ zeigt deutlich diesen Zusammenhang. Im Deutschen fällt es heute unter „veraltete Ausdrücke“. Das offenbart einiges über die Umgangsformen zwischen den Geschlechtern und Generationen. Aus dem Französischen übernommen bedeutet es so viel wie „zuvorkommend“. Ein Galan war dementsprechend ein aus dem Spanischen übernommener „Liebhaber“. Der präsentierte sich in gepflegter Kleidung (span. gala, Festkleidung), wenn er seine Auserkorene zum Essen (französisch gala, Festessen) einlud. Für jedes Baby ist zweifelsohne die Muttermilch ein Galaessen!