Sich mit fremden Federn schmücken
Ob mit Muschelschalen oder Perlen, ob mit Federn, Zähnen, Krallen, Hörnern oder Fellen getöteter Tiere, ob mit Gräsern, Blättern, Blüten oder Früchten, seit jeher schmückt sich der Mensch und seine Behausung mit Dingen, die ihm nicht gehören.
Pelze erlegter Höhlenbären oder das aus der Haut von Bisons gewonnene Leder hatten zunächst einen ganz praktischen Wert, beides schützte und wärmte unsere Vorfahren.
Leder, u. a. in der Form von Pergament, diente aber auch wie Knochen und Elfenbein als Schriftträger, ebenso Pflanzen, unter ihnen Birkenrinde, der Echte Papyrus, Palmenblätter oder Hanf neben Seidenbändern.
Außerdem vermittelt(e) die eigene Haut durch Bemalungen (z. T. auch als Schutz), Tätowierungen, Narben und Piercing Informationen an die Außenwelt. Mensch zu sein im Eva- bzw. Adamskostüm genügt seit weit mehr als 100.000 Jahren nicht, wie zu Schmuck verarbeitete Schneckenhäuser aus einer Höhle in Marokko nahe der Stadt Taforalt belegen.
Warum? Was macht die Kostümierung aus? Es ist der Unterschied, aus der der Gedanke der späteren Kleiderordnung hervorging. Heute differenzieren wir zwischen Kinder-, Damen- und Herrenmode mit all ihren Variationen sowie zwischen Abendgarderobe, Business- und Freizeitkleidung. Einst gab es Standestrachten, die halfen, einen Menschen gesellschaftlich einzuordnen. Regionale Trachten spielen angesichts der Globalisierung eine immer geringere Rolle. Doch sie sind wahrscheinlich im Kern des Verständnisses der Schlüssel zum Phänomen der Mode.
In urgemeinschaftlichen Verbänden dürfte die Anerkennung einer Person auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten und Verdienste für die Gemeinschaft erfolgt sein, weshalb sie u. U. bestimmte „Rangabzeichen“ trug, die später, ihrer geistigen Basis verlustig gegangen, als sinnentleerte oder auch umgedeutete bzw. an den Zeitgeist angepasste Schmuckelemente Verwendung fanden.
Eine Feder an einem Damenhut hat, wenn überhaupt, eine andere Bedeutung als etwa die Federhaube eines Häuptlings. Ein mit Diamanten besetztes Diadem und ein Blütenkranz sind sich hingegen näher. Kopfputz und Haartracht spielen seit alters her eine wichtige Rolle, wohl um die Unverwechselbarkeit des Gesichts zu unterstreichen und weitere Hinweise zur Person zu geben. Daher rührt dann auch das immer aufwendig werdende Make-up, das gegenwärtig in erster Linie Frauen vorbehalten ist.
Attraktivität auf „Teufel komm ‘raus“! Wozu? Gut auszusehen, heißt vor allem, gesund und heute auch jung zu sein, was kunstfertig aufgelegte Schminke gut vortäuschen kann.
Gesundheit ist zwar kein ausschließliches Privileg der Jugend, aber eine wichtige Voraussetzung bei der Wahl einer Partnerin bzw. eines Partners.
Können sich Frau und Mann gut riechen und geben daneben eine gute Figur füreinander ab, sind die Weichen für Sex gestellt. Ob es dazu kommt, hängt natürlich von weiteren Faktoren ab. Die Ursprünge unseres Bedürfnisses zur Verkleidung scheinen jedoch zum einen in unserem Paarungsverhalten und zum anderen in der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, ursprünglich einer Sippe, die in einer bestimmten Region lebte, zu liegen, was die Tarnung bei der Jagd und Freude an der Kostümierung im Allgemeinen nicht ausschließt.
Felle und Leder sind seit Jahrzehntausenden in Mode. Das Sumerische überliefert uns hierfür den Ausdruck KUSCH, Leder, Haut, der daneben Körper und Person bedeutet, u. U. deshalb, weil er damit nicht nur die Ware, sondern wohl auch den Pelz/Lederwarenhändler bezeichnete, der vielleicht aus Kuschschara, einer bisher im SO Anatoliens vermuteten Stadt, stammte.
Das Ägyptische kennt für einen Ledersack das Wort kwSn, das mit sum. KUSCH verwandt sein dürfte.
Noch bis in die Mitte des 3. Jahrtausends v. u. Z. trug man im Süden Mesopotamiens und in Ägypten Felle. Danach waren sie den Göttern, Priestern, Würdenträgern und Heroen wie Gilgamesch oder später Herkules vorbehalten.
Die sog. Kaunakes oder Zottenröcke (vgl. hierzu sum. gu-nu, Flax, Faden, Schnur, sans. guNa, einzelner Faden einer Kordel sowie äg. jn.t, ein Kleidungsstück), wurden wohl einst eher aus Wiesel- und Hermelin- als aus Schaffell gefertigt. Die besten Exemplare der possierlichen Tierchen waren im Taurus, d. h. der Gegend, in der Kuschschara lag, zu finden. Ihre durchschnittliche Rumpflänge beträgt 25 bis 32 cm. Bei einer Körpergröße des Menschen zwischen 1,50 m und 1,70 m wären wenigstens 6 horizontale Streifenlagen übereinander erforderlich gewesen, um das charakteristische „Zottenmuster“ unter Einbeziehung des Oberkörpers zu erzeugen. Das deckt sich in etwa mit den überlieferten sog. Beterstatuetten, die in dieser Kleidung dargestellt sind.
Es ist aber auch gut möglich, dass die sog. Zottenröcke der Sumerer ursprünglich aus Federn oder Blattwerk bestanden, bevor sie gewebt und im Design in Anlehnung an ihre Vorgänger mit Wolle verziert wurden. Jedenfalls weist das Keilschriftzeichen KUSCH gedreht in der Form Ähnlichkeit mit einer „Zotte“ auf.
Das bisher älteste belegte Wort für Kleidung ist TUG, das aus 4 Sprachen bekannt ist: dem Sumerischen mit TUG2, dem Ägyptischen mit twg, dem Alttamilischen mit tUcu (auch für Baumwolle) und dem Lateinischen mit toga.
Sum. TUG2 setzt sich zusammen aus den Zeichen LAGAB und TAB, d. h., Kleidung war etwas um den Körper Geschlossenes, das seinen Träger begleitete (TAB, Begleiter), gewissermaßen eine zweite Haut. Ab 2000 v. u. Z. steht das Zeichen in der Lesung NAM2 auch für einen Vornehmen und so nimmt es nicht Wunder, wenn die Toga bei den Römern schließlich den insbesondere männlichen Bürgern vorbehalten blieb.
Mit alttam. tOkkai, Kleidung und tOkai, et., was herunterhängt, Frau(enhaar), Feder, Schwanz des Pfau, schließt sich der Kreis zum sog. Zottenrock.